von Katrin (Kate Lavender)

„Nach etwas mehr als zwei Wochen auf Chios bin ich mit Gabriele vom Chios Eastern Shore Response Team – CESRT mit der Fähre in das benachbarte Cesme in der Türkei gefahren. Hier haben wir für zwei Wochen die Organisation İmece İnisiyatifi Çeşme bei zwei aktuellen Projekten unterstützt.

İmece İnisiyatifi Çeşme betreibt seit mehr als einem Jahr ein Selbstversorgerdorf in der Nähe von Cesme. Das Dorf ist noch im Aufbau, das heißt wir Volunteers haben unter anderem beim Bau der Gebäude (Volunteerhaus, Schafstall) und Pflasterwege mitgeholfen oder eben bei der Olivenernte und Anbau von Salat und anderen Nutzpflanzen.

Wenn die Infrastruktur des Dorfes fertig ist, werden dort hauptsächlich alleinerziehende Frauen mit Kindern, die aus ihrem Heimatland geflüchtet sind, für mehrere Wochen untergebracht. Im Dorf haben sie dann die Möglichkeit an Workshops teilzunehmen und sich neue Fähigkeiten anzueignen, die es ihnen ermöglichen, eigenes Geld zu   verdienen (z. B. Bau von Solarlampen oder das Nähen von Taschen). Aktuell wohnt neben den Langzeitfreiwilligen bisher eine syrische Familie mit zwei kleinen Kindern dort und hilft bei allem mit, was so ansteht. Die Idee des Dorfes ist, sich langfristig durch den Eigenanbau selbst zu versorgen und zu finanzieren und dort ein gemeinschaftliches Leben zu führen.

Das zweite Projekt findet im Inland statt, in der Nähe von Torbali. 3-4 Tage die Woche verbringen die Freiwilligen von İmece İnisiyatifi Çeşme dort und besuchen verschiedene (inoffizielle) Camps, um die dort lebenden Kinder zu unterrichten und unter anderem Hygieneartikel und Kleidung zu verteilen.

Bei den Camps, die schon seit längerer Zeit Teil des Education Programms sind, läuft das ganze z. B. so ab:

Die Freiwilligen fahren vormittags in das Camp, bauen dort ein Zelt auf, in dem die Schule stattfindet und beschäftigen solange die Kinder mit verschiedenen Spielen. Wenn alles fuer den Unterricht vorbereitet ist, werden die Kindergartenkinder von den Älteren separiert, sodass diese   ungestört lernen können. Die Kindergartenkinder werden ebenfalls auf spielerische Weise gebildet: Sie lernen durch verschiedene Spiele die türkische Sprache, haben die Möglichkeit zu malen usw.

Die Kinder im schulfähigen Alter sollen während des Unterrichts die Grundlagen der türkischen Sprache sowie einfache Rechenaufgaben etc. erlernen, damit es ihnen möglich ist, hier die Schule zu besuchen. Dies ist Flüchtlingskindern nämlich erlaubt.

Das Problem ist allerdings, dass viele der inoffiziellen Camps sozusagen “Wandercamps” sind, die nicht dauerhaft an einem Ort existieren. Die Geflüchteten haben in der Türkei generell die Möglichkeit (vor allem in der Landwirtschaft) zu arbeiten. Da dies aber oftmals Saisonjobs sind, ziehen die Familien immer wieder um – dahin, wo Arbeit zu finden ist. So haben sie zwar die Möglichkeit Geld zu verdienen, können sich aber trotzdem nicht wirklich ein Leben oder einen Lebensstandard aufbauen. Ein weiterer Minuspunkt des Umziehens ist, dass die Familien dadurch einige ihrer Rechte verlieren, die sie nur an dem Ort ihrer Registrierung haben. Die Registrierung am neuen Ort nimmt viel Zeit in Anspruch und währenddessen haben die Geflüchteten nicht die gleichen Rechte wie vorher (verlieren zum Beispiel das Anrecht auf Schule für die Kinder etc.).

Wie man sich vorstellen kann, erschwert dies auch die Arbeit von İmece İnisiyatifi Çeşme, da die Orte der Camps und auch die dort lebenden Menschen immer wieder wechseln. Dennoch ist es super wichtig den Kindern, die teilweise nie eine Schule gesehen haben, auch einfach nur Basics beizubringen, wie:

Wie stelle ich mich in einer Schlange an ohne zu drängeln? Was heißt es, konzentriert an einer Aufgabe zu arbeiten oder konzentriert einer vorgelesenen Geschichte zuzuhören?

Diese Grundlagen scheinen für uns selbstverständlich, aber auch wir haben sie irgendwann lernen müssen. Die Kinder, die zwischen Feldarbeit und staubigen Zelten aufwachsen, die in ihrer Heimat traumatisierende Dinge erleben mussten, sollten dies auch dürfen. Und wenn der/die ein oder andere es dann sogar auf eine türkische Schule schafft, ist damit schon viel gewonnen.

Was die generellen Zustände und Bedingungen der (inoffiziellen) Camps betrifft, die wir gesehen haben, kann man nur die Bilder für sich sprechen lassen, denn mir fehlen die Worte dafür.“