Am 26. Februar machten wir uns früh morgens von Würzburg aus auf den Weg nach Slavonski Brod in Kroatien. Wir – das sind: Alina, Julia, Ludwig, Franz, Jessica und, nicht zu vergessen, unser roter VW Bus namens Sonntag, den wir bis oben hin mit Spenden vollgepackt hatten. Unser Ziel war das gut organisierte, strukturierte und leider von hoher Polizeipräsenz geprägte Transit Camp an der kroatisch-bosnischen Grenze. Auf unserem Weg dorthin machten wir noch einen Zwischenstopp in München, um zwei Hilfspakete (organisiert von #Heimatstern) für eine kroatische Familie in Not abzuholen. Nach fast 15 Stunden Fahrt kamen wir dann endlich am Zielort an und bezogen erst einmal das „volunteer house“, das uns von der IHA (Intereuropean Human Aid Organisation) für die nächsten Tage zur Verfügung gestellt wurde.
Unsere Hauptaufgabe im Camp bestand dann darin, die Geflüchteten mit Klamotten auszustatten und in der übrigen Zeit die Lager zu sortieren. Außerdem gab es jeden Tag ein Meeting mit den anderen Organisationen, geleitet vom kroatischen Roten Kreuz, um den kommenden Tag zu besprechen, den vergangenen zu reflektieren und wichtige Informationen auszutauschen. Aufgrund der schwierigen politischen Situation kamen an zwei Tagen leider überhaupt keine Flüchtlinge im Camp an; an den anderen Tagen konnten wir immerhin täglich zwischen 300 und 500 Menschen in Empfang nehmen.
Die Züge, die direkt aus der serbischen Stadt Sid kamen, wurden direkt zu uns in das Camp geleitet. Hier wurden die Flüchtlinge anschließend in Registrierungszelte (Tabuzone für Volunteers) gebracht. Sobald sie diese Zelte auf der anderen Seite verließen, kamen dann wir ins Spiel. Die Menschen wurden durch das große „distribution tent“ geleitet, wo sie von den diversen Organisationen – wie beispielsweise UNICEF, Save The Children und Magna – mit verschiedensten Hilfsgütern und sozialer Unterstützung versorgt wurden: Tee, Essen, Wasser, Hygieneartikel, Taschen, medizinische Versorgung, psychosoziale Betreuung, Familienzusammenführung, und von uns, also der IHA zusammen mit dem Roten Kreuz und einigen anderen NGOs, mit Klamotten und Schuhen. Täglich kamen mit den Zügen aus Slowenien auch Flüchtende an, die zurückgeschickt wurden, da ihr Asylantrag verweigert wurde. Im Camp angekommen wurden sie in „Sektor 3“ gebracht, der für uns Freiwillige nicht zugänglich war.
Die meisten Menschen, denen wir im Camp begegneten, waren zusammen mit ihrer Familie auf der Flucht. Wir hatten glücklicherweise meistens genug Zeit, um mit den Menschen in Kontakt treten zu können, nette Gespräche zu führen und mit den zahlreichen Kindern zu spielen. Wir begleiteten sie oft, nachdem sie aus dem distribution tent kamen, wieder zurück in den leeren Zug (der dann weiter nach Slowenien fuhr), indem wir ihnen beim Tragen ihres Gepäcks und oft auch ihrer Kinder halfen. Es war wichtig, sich darum zu kümmern, dass sie im Zug nicht getrennt wurden und ein Abteil zusammen als Familie besetzen konnten. Die Menschen waren für jede Art unserer Hilfe, selbst für ein nettes Lächeln oder ein kurzes Gespräch sehr dankbar.
Nach acht Tagen wurden wir durch ein anderes sechsköpfiges Team verstärkt. Und da es nun mehr Leute als Arbeit gab, machten wir uns spontan auf den Weg in das circa zwei Stunden entfernte Belgrad. Andere freiwillige Helfer hatten uns nämlich darüber informiert, dass in dem Camp in der serbischen Hauptstadt noch dringend Hilfe benötigt würde.
Das Camp inmitten der Stadt ist privat organisiert und öffnet täglich seine Tore von 10 bis 16 Uhr. Die Menschen bekommen dort Frühstück, Tee, Mittagessen, Kleidung, Kinderbetreuung und medizinische Versorgung. Außerdem haben sie einfach einen sicheren Aufenthaltsort für den Tag und können auch duschen. Wir lernten viele Menschen kennen, die kaum noch Lebensmut hatten und auch einige, die sich dadurch in den Konsum und Missbrauch von Drogen flüchteten. Sie hatten schon des Öfteren versucht, die ungarische Grenze zu Fuß zu überqueren, landeten aber jedes Mal wieder in Belgrad. Manche, die es sich leisten konnten, wohnten in Hostels – viele aber auch auf der Straße oder in Zelten in Parks. Die wenigen Kinder, die wir in diesem Camp trafen, hatten fast alle Husten, eine Rotznase und verdreckte Klamotten. Wir wurden in diesen drei Tagen mit sehr viel Leid konfrontiert und mussten das Gefühl der Machtlosigkeit kennenlernen. Klar, wir konnten die Menschen mit verschiedensten Sachen ausstatten, ihnen zuhören und mit ihnen Zeit verbringen. Wir konnten ihnen aber keine Lösungen für ihre schreckliche Lebenssituation liefern. Man will den Menschen Hoffnung schenken, aber ihnen doch auch keine falschen Hoffnungen machen.
Am 8. März machten wir uns nach unserer letzten Schicht wieder auf den Heimweg nach Würzburg. Ludwig entschied sich, mit anderen Volunteers noch weiter an die mazedonisch-griechische Grenze nach Idomeni zu fahren, um dort noch für einige Zeit zu helfen.