Stellungnahme zur geplanten Reform des EU-Asylsystems

Was ist passiert?

In der vergangenen Woche haben sich die EU-Innenminister mit einer ausreichend großen Mehrheit auf umfassende Pläne zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Die meisten der vorgeschlagenen Regelungen müssen jedoch noch mit dem Europäischen Parlament verhandelt und vereinbart werden, aber die Reform soll noch vor den Europawahlen 2024 beschlossen werden.

Was ist das Ziel der Reformpläne?

Der Plan für die Vereinbarung sieht vor, dass Asylverfahren an den EU-Außengrenzen durchgeführt werden können, um zu verhindern, dass Migrant*innen mit geringen Bleibeperspektiven überhaupt einen Fuß auf EU-Boden setzen. Zu diesem Zweck sollen in Grenznähe Asylzentren eingerichtet werden, in denen die Identität der Asylsuchenden überprüft wird und aus denen sie direkt abgeschoben werden können. Einige EU-Länder wie Italien oder Griechenland fordern sogar, dass abgelehnte Migrant*innen in sogenannte „sichere Drittländer“ außerhalb der EU wie Albanien oder Tunesien abgeschoben werden könnten, unabhängig davon, woher sie kommen. Geplant ist auch eine Neudefinition dieser so genannten sicheren Drittstaaten, die nicht unbedingt Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention sind. Zu diesen Drittländern sollten auch die meisten Länder an der Südgrenze Europas gehören, die einen niedrigen Menschenrechtsstandard erfüllen. Allein die Tatsache, eines dieser „sicheren Transitländer“ durchreist zu haben, könnte die Voraussetzung für eine Abschiebung sein. Eine weitreichende Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Ländern ist in Planung. Andere EU-Länder wie Polen oder Ungarn lehnen das Asylrecht kategorisch ab und verweigern grundsätzlich die Aufnahme von Migrant*innen in das Land.

Wie positioniert sich HERMINE?

Auch wenn dies erst der Anfang ist und kurzfristig keine Änderung bringen wird, ist der Ansatz der EU in der Asylpolitik völlig falsch. Anstatt sich darauf zu konzentrieren, die menschenrechtlichen Mängel des aktuellen Gesetzes zu korrigieren, verfolgt sie die Absicht, das Gesetz noch weiter zu verschärfen. Die Erfahrungen an der EU-Grenze auf den griechischen Inseln oder in Südspanien haben die menschenrechtlichen Defizite der EU im Bereich der Asylpolitik aufgezeigt. Die Inhaftierung von Migrant*innen in diesen Asylzentren würde bedeuten, sie de facto ihrer Freiheit zu berauben und in ein gefängnisartiges Zentrum zu sperren. Das Verfahren kann theoretisch bis zu zwei Wochen dauern, in der Realität ist aber durchaus auch ein längerer Zeitraum wahrscheinlich. Es ist außerdem zu befürchten, dass die Migrant*innen aufgrund des Mangels an spezialisierten Anwält*innen und der Strukturierung dieser Zentren keinen regelmäßigen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können.

Besorgniserregend an den Verhandlungen ist zudem die gefährliche Annäherung der EU an den Diskurs und die Politik der extremen Rechten und ihre Missachtung der Menschenrechte. Der Eintritt rechtspopulistischer Extremisten in die Regierungen von EU-Ländern wie Schweden oder Italien wird es der EU nicht leichter machen, ihre Pläne zur Verschärfung zu ändern.

Diese Gesetzespläne sind ein großer Fehler, ein direkter Angriff auf die Menschenrechte und das Asylrecht. Diese Reformpläne werden den Tod von Menschen im Mittelmeer nicht verhindern, sie werden die illegalen Rückführungen nicht stoppen und sie werden auch nicht das Chaos und die Gesetzlosigkeit in Migrantenkonzentrationszentren wie Moria in Griechenland beenden.

So stellt sich HERMINE absolut gegen diese Reformpläne und fordert einen radikalen Richtungswechsel, bei dem die Menschenrechte von Migrant*innen im Mittelpunkt stehen.