Stellungnahme zu Nancy Faesers geplantem Besuch in Würzburg

Wir möchten den aktuellen Wahlkampf und den geplanten Besuch von Nancy Faeser heute in Würzburg dazu nutzen, um öffentlich Kritik auszusprechen.(1) Denn unter dem Deckmantel einer gemeinsam-EUropäischen und ‘pragmatischen’ Lösung steht sie für eine rassistische Rhetorik und eine Politik, die Grundrechte Asylsuchender weiter einschränkt und menschenverachtende Praktiken befördert, statt sie einzudämmen.

 

Insbesondere als Träger*Innen der von der Würzburger SPD verliehenen Georg-Sittig-Medaille sehen wir uns in der Pflicht, dieser ihrer beschämenden Politik zu widersprechen.

Noch bei der Einladung zur Verleihung im Herbst 2022 wurde uns durch die Würzburger SPD-Vorsitzende Freya Altenhöher versichert, dass es gut sei, wenn Vereine wie wir durch unsere Arbeit die Schwachstellen der Politik aufzeigen. Welche Bedeutung haben solche Signale der Offenheit für Kritik, wenn wichtige Podiumsdiskussionen geschlossene Veranstaltungen bleiben?

Bei der Preisverleihung sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Lore Koerber-Becker: „Lasst uns Hass und Ausgrenzung mutig entgegentreten und eintreten für Offenheit, Vielfalt und Miteinander.“ 

Wie jedoch passt dies mit der Veranstaltung der Bundesinnenministerin Nancy Faeser und dieser selektiven Einladung zu ihr zusammen?

Verschiedene Vereine haben sich in Würzburg zusammengefunden, um mit offenen Briefen der europäischen bzw. deutschen rassistischen Politik gezielt entgegenzuwirken.

 

Wir möchten Widerstand leisten. Wir möchten unsere Enttäuschung gegenüber der Würzburger Stadtverwaltung äußern, dass zu dieser Veranstaltung keine Organisationen eingeladen worden sind, von denen zu erwarten wäre, dass sie kritische Perspektiven in die Diskussion einbringen. Damit diese Stimmen nicht gehört werden? Damit sie die Ordnung nicht stören? 

 

Wir möchten diese Perspektiven sichtbar machen

Die Autonomie der Migration kann als eine „aktive Kraft und als eine Form des alltäglichen, ’stillen‘ Widerstands verstanden“ werden, aber auch als eine Methode „in das Zentrum der Wissensproduktion ein[zu]greifen“. Die Politik Faesers macht jedoch mit rassistischen und rechtspopulistischen Motiven Themen und Menschen unsichtbar, sie diskriminiert sie und will sie aus der gesellschaftlichen Ordnung ausschließen.(2)

Wir müssen als Gesellschaft jedoch zu einer Haltung gelangen, die diese Eingriffe in die Wissensproduktion zulässt und die Narrative von Abschottung und Fremdenfeindlichkeit nachhaltig zu Narrativen authentischer Offenheit verändert. Hin zu einem Bild von Flucht und Migration, das die Menschen mit diesen Geschichten anerkennt und die Menschenrechte wahrt, ohne bereits vorher auszuwählen, wem Asyl, Schutz und menschenwürdige Lebensverhältnisse zustehen.

 

Doch genau dies ist nur eine der menschenrechtswidrigen Neuerungen der Reform des „Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ (GEAS), die Faeser auf den Weg gebracht hat: Gerade nicht darauf achten, wer die ankommenden Menschen sind – dass es sich überhaupt um Menschen handelt –, sondern sie unter Generalverdacht inhaftieren und so ‘reibungslos’ wie möglich wieder abschieben. ‚Reibungslos‘ aus Sicht der Politik bedeutet hier, keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie an einen sicheren Ort gelangen. (Mehr hierzu im Beitrag der @seebrueckewue)

 

 

Rechtspopulistische Rhetorik

 

Die Ereignisse der Silvesternacht in Berlin im Jahreswechsel 2022/2023 kommentierte Nancy Faeser wie folgt:

„Wir haben in deutschen Großstädten ein großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund, die unseren Staat verachten, Gewalttaten begehen und mit Bildungs- und Integrationsprogrammen kaum erreicht werden […]. Wir müssen gewaltbereiten Integrationsverweigerern in unseren Städten klar die Grenzen aufzeigen: mit harter Hand und klarer Sprache – aber ohne rassistische Ressentiments zu schüren.“(3)

 

Wie kann es sein, dass solche menschenfeindliche Kommentare von einer Ministerin im Bundesministerium des Innern und für Heimat geäußert werden bzw. in unserem „offenen“ Deutschland überhaupt auf politischer Ebene geduldet werden? Wer entscheidet wer dazu gehört und wer nicht? Ab wann gilt man als ‚integriert‘? Und warum brauchen wir ein Heimatministerium? Wie Max Czollek schreibt: „Gute Migrant*innen schießen Tore für die Nationalmannschaft und bekommen einen Integrationsbambi. Schlechte Migrant*innen unterdrücken ihre Frauen und stehen zur Silvesternacht mit Samenstau am Kölner Hauptbahnhof, wo sie deutsche Frauen anfassen. Die Rollenteilung ermöglicht eine doppelte Bestätigung des deutschen Selbstbildes: dass Deutschland eine offene Gesellschaft ist und dass diese offene Gesellschaft zugleich von denjenigen bedroht wird, die in ihr auch leben sollen, also den Migrant*innen.“(4) 

 

Das ist ein Widerspruch, der nur mit rhetorischen Kunstgriffen geschlossen werden kann – und darum bemüht sich Faeser, nicht nur wenn sie in einem Atemzug von “gewaltbereiten Integrationsverweigerern” spricht und doch noch ihre eigene moralische Integrität abzusichern versucht, indem sie sich davon distanziert wissen will, “rassistische Ressentiments zu schüren”. 

 

Weit davon entfernt, dass von einer Minderheit als solcher eine Bedrohung ausgeht. Wir müssen anerkennen, dass das, was hier bedroht ist, eine gesellschaftliche Ordnung ist, die Veränderung dringend nötig hat. Die Präsenz derjenigen Menschen, die einer Minderheit zugerechnet werden, lässt Themen sichtbar und dringlich werden, die womöglich außerhalb einer Komfortzone liegen. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass das als Bedrohung umgedeutet wird. 

 

Daher fordern wir die Würzburger SPD auf:

 

  • sich selbstkritisch mit Ihren eigenen Werten zu befassen
  • Stellung zu beziehen gegen rassistische und rechte Hetze, auch in den eigenen Reihen
  • Aktiv Initiativen und Vereine mit einzubeziehen, die sich mit Rassismus, sowie Flucht_Migration kritisch beschäftigen
 
_______________________________________
1) Der Besuch wurde wegen Krankheit kurzfristig abgesagt. Die Gültigkeit unserer Stellungnahme wird davon jedoch nicht berührt.
2) Quelle: Sabine Hess / Serhat Karakayalı (2017): Fluchtlinien der Migration. Grenzen als soziales Verhältnis. In: Hess, Sabine / Kasparek, Bernd / Kron, Stefanie / Rodatz, Mathias / Schwertl, Maria / Sontowski, Simon (Hrsg.): Der lange Sommer der Migration. Grenzregime III. Hamburg: Assoziation A. S. 25-37. S. 31f.
3) Quelle: Zeit Online (2023): Faeser sieht „große Probleme“ mit gewaltbereiten Migranten. Online unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-01/silvesterkrawalle-nancy-faeser-gewaltbereitschaft-migranten?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
4) Quelle: Czollek, Max (2019): Gegenwartsbewältigung. In: Aydemir, Fatma / Yaghoobifarah, Hengameh (Hrsg.): Eure Heimat ist unser Alptraum. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH. 167-181, S. 171.